Literaturnobelpreis 1931: Erik Axel Karlfeldt

Literaturnobelpreis 1931: Erik Axel Karlfeldt
Literaturnobelpreis 1931: Erik Axel Karlfeldt
 
Der Schwede erhielt den Nobelpreis für Literatur für sein Gesamtwerk.
 
 
Erik Axel Karlfeldt, * Karlbo (Schweden) 20. 7. 1864, ✝ Stockholm 8. 4. 1931; Studium der Literaturwissenschaft an der Universität in Uppsala, 1892-1912 Lehrer und Bibliothekar, 1895 erste Gedichtsammlung, 1904 Aufnahme in die Schwedische Akademie, 1912 Ständiger Sekretär der Schwedischen Akademie, 1917 Ehrendoktor der Universität in Uppsala.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
über sein Leben gab Erik Axel Karlfeldt ungern Auskunft, er war zurückhaltend und verschwiegen. Erst nach seinem Tod wurde der Schleier ein wenig gelüftet.
 
 Eine Karriere verbunden mit dem Nobelpreis
 
Karlfeldt verbrachte in der schwedischen Provinz Dalarna, wo er 1864 geboren wurde, eine schwierige Jugend. Der Vater wurde aufgrund finanzieller Unregelmäßigkeiten von Haus und Hof gejagt, kam sogar ins Gefängnis und wurde zu Zwangsarbeit verurteilt. Der Sohn wollte sein Leben lang diese Schande verbergen und hielt sein interessantes Privatleben geheim. Nach dem Abitur musste er seine Heimat verlassen und begab sich an die Universität in Uppsala, die ihn später, als er berühmt war, mit der Ehrendoktorwürde auszeichnete. Sein Studium finanzierte er durch Nachhilfeunterricht und journalistische Tätigkeiten. Die literaturwissenschaftlichen Studien mit Schwerpunkt auf der englischen Literatur schloss er 1898 mit einer Arbeit über den englischen Schriftsteller Henry Fielding ab. Bis 1912 arbeitete Karlfeldt an verschiedenen Schulen und Bibliotheken. Nach seinen ersten drei Gedichtbänden wurde er 1904 in die Schwedische Akademie aufgenommen, 1905 wurde er zum Mitglied des Nobelinstituts und 1907 des Nobelkomitees gewählt. 1912 wurde er zum Ständigen Sekretär der Akademie ernannt. In diesem bedeutenden Amt hob er anlässlich der Nobelpreisverleihung 1921 Anatole France gegen den seinerzeit in Europa grassierenden »oberflächlichen Dilettantismus« ab, womit seine Frontstellung gegen die moderne Literatur, wie etwa den Expressionismus, deutlich wurde. Bei der Präsentation des Preisträgers von 1930, Sinclair Lewis, überging er absichtlich dessen gesellschaftskritisches Anliegen. Für das Jahr 1932 hatte er nach 20 Jahren den Rücktritt von seinem Amt anvisiert; doch der Tod kam ihm zuvor.
 
 Wäre Alfred Nobel einverstanden?
 
Schon 1918 war Karlfeldt für den Nobelpreis nominiert worden, lehnte ihn jedoch ab, da er den Vorwurf der Parteilichkeit fürchtete, zumal ein Jahr vorher zwei Dänen, Karl Gjellerup und Henrik Pontoppidan, und zwei Jahre vorher der Schwede Verner von Heidenstam mit dem Preis ausgezeichnet worden waren. Erst 1931 wurde ihm postum der Nobelpreis verliehen. Gegen diesen Beschluss hatten sich jedoch auch Stimmen erhoben, wie etwa die Verner von Heidenstams, der in der Verleihung einen Verstoß gegen Nobels Verfügung sah. Dass dies in der Tat nicht Nobels Vorstellungen gerecht wurde, darüber war man sich auch auf dem Bankett einig. Die Begründung für die Verleihung, wie sie in der öffentlichen Präsentation deutlich wurde, ist erhellend: Karlfeldt ist der Sänger, der den schwedischen Charakter mit außerordentlicher Kraft und die Tradition des schwedischen Volkes mit exquisitem Charme verherrlicht habe. Und weiter: seine aus der schwindenden, besseren Vergangenheit sich nährende Inspiration wird positiv gegen die »beflissenen Modernisten, die sich mit den jüngsten Trends und Marotten zufrieden geben«, gestellt.
 
 Kein Rebell
 
Die Akademie hatte mit Karlfeldt einen Dichter ausgezeichnet, der keinesfalls im Gegensatz zur Gesellschaft stand, sondern einen, der sich ihr eingefügt hatte und der nicht gegen seinen Willen zum lyrischen Sprachrohr seiner Nation geworden war. So kam er gerne der Aufforderung seines Königs Oscar II. nach, zum 20. Jahrhundert eine Kantate zu dichten. Seine der Tradition verpflichtete Dichtung schließt das Moderne und das Neue bewusst aus. Der Titel seiner Debütsammlung »Vildmarks- och kärleksvisor« (schwedisch; Lieder der Wildnis und der Liebe; 1895) verspricht nicht zuviel. Nur Weniges daraus verweist auf den kommenden Dichter, der in seiner nächsten Sammlung »Fridolins visor« (schwedisch; Fridolins Lieder; 1898) einen ländlichen Junggesellen und vagabundierenden Troubadour erschaffen hat, der, wie die Reihe der anderen Personen, in einer alten Bauernwelt lebt, die es so niemals gegeben hat. Die stark idealisierte Figur des Fridolin, die gelegentlich zu einem rustikalen Gegenstück zum »Fredman« des schwedischen Dichters Carl Michael Bellman hochstilisiert wurde, entstammt einer Welt, in der nicht gearbeitet, wohl aber getanzt und gescherzt wird, in der Spiel und Tanz, Erntefeste und Feierabend die Hauptrollen spielen und die keine negativen Seiten kennt. Ob sich Karlfeldt hier ein zweites Ich hat erschaffen wollen? Seinem Geschöpf Fridolin bleibt er auch in »Fridolins lustgård och dalmålningar på rim« (schwedisch; Fridolins Lustgarten und gereimte dalekarlische Malereien; 1901) treu, und von naturlyrischen Stimmungen ist auch die nächste Sammlung »Flora och Pomona« (schwedisch; Flora und Pomona; 1906) getragen.
 
 Schaffenspause und Richtungswechsel
 
Es tritt eine längere Schaffenspause ein, erst 1918 erscheint »Flora och Bellona« (schwedisch; Flora und Bellona; 1918). Bellona, die Göttin des Kriegs, hat Pomona, die Göttin der Baumfrüchte, verdrängt. Diese Gedichtsammlung ist vom Ausgang des Ersten Weltkriegs geprägt: Der Dichter kritisiert Kommunismus wie Kapitalismus und industrielle Ausbeutung. Fridolins Lustgärtlein ist verwüstet, seine Lieder vergessen, »Minerva ist tot und Venus ist krank und Pomona verarmt«. Der »Neue Norden«, so der Titel eines Gedichts, erscheint als Rettung: »zu lange haben wir nach Süden geblickt und leeren Worten gelauscht, lasst uns die Stirn nach Norden wenden, in unseren Träumen und Gedanken sehen wir unser Schweden: stolz, mannhaft und frei.«
 
Karlfeldts letzte Gedichtsammlung »Hösthorn« (schwedisch; Herbsthorn) erschien 1927. Die Sangbarkeit der Verse ist geblieben und sie ist wohl der Garant der ungewöhnlichen Popularität, die Karlfeldts Lyrik in Schweden zuteil wurde. Über 100 Vertonungen seiner Gedichte sind ein Zeichen seiner Beliebtheit und der lyrischen Qualität seiner sich volkstümlich gebenden Gedichte.
 
Diese sind jedoch nicht immer leicht zu verstehen, denn Karlfeldt benutzt oft Wendungen und Ausdrücke aus der Bibel, aus seinem Dialekt, aus der Folklore, der Botanik, mit der er sich Zeit seines Lebens beschäftigt hat, der nordischen und der klassischen Mythologie — dies konnte seiner Beliebtheit keinen Abbruch tun. Er hat die schwedische Sprache durch viele neue Wendungen bereichert; es dürften sich in seinem lyrischen Werk über 1000 Neuschöpfungen finden. Karlfeldt hat keinen würdigen Nachfolger gefunden; zu sehr blieb er seinen literarischen Anfängen, die typisch für die Literatur der 1890er-Jahre war, treu. Die moderne Dichtung hat er nicht beeinflusst — sie war andere Wege gegangen.
 
H. Uecker

Universal-Lexikon. 2012.

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